Neue Immuntherapie in Leer Hoffnung für Kinder mit Erdnussallergie

| 02.09.2022 17:33 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
Artikel hören:
Dr. Daniel Schüler, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im Klinikum Leer, mit seinem ersten Patienten Ole. Foto: Klinikum Leer
Dr. Daniel Schüler, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im Klinikum Leer, mit seinem ersten Patienten Ole. Foto: Klinikum Leer
Artikel teilen:

Der siebenjährige Ole aus Westoverledingen leidet an einer gefährlichen Erdnussallergie. Jetzt hat er eine neuartige Therapie am Klinikum Leer begonnen – als erster Patient überhaupt.

Leer - „Kann Spuren von Nüssen enthalten“. Für viele Menschen ist dieser Hinweis auf Lebensmittelverpackungen nicht weiter von Bedeutung. Für Ole aus Westoverledingen hingegen kann er überlebenswichtig sein. Der Siebenjährige ist laut einer Mitteilung des Klinikums Leer einer der etwa 0,5 bis 1 Prozent aller Kinder in Deutschland, die an einer gefährlichen Erdnussallergie, die zu lebensbedrohlichen Reaktionen führen kann, leiden. Diese allergische Erkrankung nennt sich Anaphylaxie.

Nun habe er die Behandlung mit dem neuen Medikament Palforzia in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Leer begonnen, welches eigenen Angaben zufolge das einzige im Nordwesten ist, das diese neuartige Immuntherapie anbietet.

Arzt erläutert Reaktion des Körpers

„Erdnüsse zählen zu den häufigsten und heftigsten Auslösern einer Anaphylaxie durch Nahrungsmittelallergenen. Und anders als bei Allergien gegen Kuhmilch oder Ei verschwindet diese Allergie nicht. Die meisten Kinder haben sie ihr Leben lang.“, so Chefarzt Dr. Daniel Schüler, der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Kinderpneumologe und Allergologe ist. „Eine allergische Erdnussanaphylaxie ist keine harmlose Unverträglichkeit. Die Anaphylaxie ist im Gegenteil die gefährliche Form der Lebensmittelallergie und kann bei Betroffenen schwere, mitunter lebensbedrohliche, körperliche Reaktionen auslösen, die unmittelbar bei oder nach dem Verzehr von Erdnussspuren auftreten“, so Schüler. Typische Symptome seien Kribbeln und Juckreiz in Mund und Rachen sowie mitunter auch Übelkeit und Erbrechen. „Bei manchen Menschen mit einer Erdnussanaphylaxie können schon Milligrammmengen der Erdnuss zu einem möglicherweise lebensbedrohlichen Allergieschock führen. Das körpereigene Immunsystem gerät dann in einen Ausnahmezustand“, erläutert der Arzt. „Der Rachen schwillt zu, es kommt zu Atemnot und Kreislaufproblemen und in schlimmen Fällen zu Bewusstlosigkeit, Atem- und Kreislaufstillstand.“ Kündigt sich ein Allergieschock an, müsse umgehend ein Notarzt gerufen werden.

Bisher seien für Ole das konsequente Meiden von Lebensmitteln mit Erdnüssen und das ständige Mitführen eines Notfallsets die einzigen Optionen gewesen, um einer allergischen, Reaktion vorzubeugen. Nun gebe es für Ole und seinen Eltern jedoch einen Lichtblick: Die erste orale Immuntherapie ist in Europa zugelassen und Ole wird als erster Patient in der Kinderklinik des Klinikums Leer mit dem neuen Medikament therapiert.

Therapie dauert mindestens zwei Jahre

Die Behandlung habe für Ole mit fünf aufeinanderfolgenden Dosen des Erdnussproteins begonnen, welche in vier Stunden unter ärztlicher Aufsicht eingenommen wurde. Nach einer Nacht zur Beobachtung in der Klinik setze Ole nun seine Therapie zu Hause fort. Aufgelöst in Joghurt muss er das Mittel täglich am Abend einnehmen.

Alle 14 Tage werde die Dosis in der Klinik bei einem ambulanten Aufenthalt gesteigert, bis einmal 300 mg Erdnussprotein erreicht sind. „Das entspricht etwa anderthalb Erdnüssen“, erklärt Dr. Schüler. „Diese höchste Dosis muss Ole dann zwei Jahre lang täglich einnehmen.“ Das Immunsystem solle auf diese Weise lernen, dass es sich um einen harmlosen Stoff handele, der nicht bekämpft werden müsse.

Während und nach der Therapie müsse Ole weiterhin Erdnüsse meiden und immer einen Adrenalin-Autoinjektor bei sich tragen. Durch die Therapie könne jedoch den Kindern und ihren Eltern die Angst vor einem anaphylaktischen Schock oder sogar dem Tod nach unbeabsichtigtem Erdnussverzehr genommen werden.

Ähnliche Artikel