Was Sie heute wissen müssen

Hohe Sturmschäden | Überschwemmungen drohen | Optimistische Viertliga-Kicker

Joachim Braun
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Eine Kolumne von Joachim Braun
| 22.02.2022 06:26 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
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Das Wichtigste aus der Region, jeden Morgen um 6.26 Uhr zusammengefasst von der Chefredaktion der Ostfriesen-Zeitung.

Nach dem Sturm ist vor dem Aufräumen. Und das ist in Ostfriesland bereits voll im Gange, mit allen Erschwernissen, die man sich so vorstellen kann. Die Versicherungen zum Beispiel erwarten eine Flut an Schadensmeldungen. „Wir gehen davon aus, dass es sich um die schadenstärksten Ereignisse seit ‚Kyrill‘ aus dem Jahr 2007 handelt“, sagt zum Beispiel Jens Schipper, Pressesprecher der NV-Versicherungen in Neuharlingersiel. Auch die Ostfriesische Brandkasse rechnet mit einem Millionenschaden. Noch nicht geklärt sind die Schäden in den wenigen Wäldern der Region. Stefan Grußdorf, Leiter des Forstamts Neuenburg, zu dem ganz Ostfriesland gehört, spricht von einer „kleinen Katastrophe“. Er warnt die Bevölkerung davor, jetzt in den Wald zu gehen: „Ein Waldspaziergang ist gerade so ziemlich die schlechteste Idee.“ Daniel Noglik fasst die Situation zusammen.

Ostfriesland ist ein Land am Wasser, aber es ist auch ein Land im Wasser. Das haben die Regenfälle im Zuge der drei Stürme uns gezeigt. „Wir mussten mehrere Polder fluten, um dem Wasser Platz zu geben“, sagt Meino Kroon vom Leda-Jümme-Verband mit Sitz in Leer. Erst heute könnte die Ebbe wieder etwas Entlastung bringen. Besonders anfällig für hoch stehendes Grundwasser ist das tief liegende Rheiderland. „Es spielt viel zusammen. Der Boden ist gesättigt, jeder Tropfen, der herunterkommt, fließt sofort in Gräben ab“, erklärt Adolf Wilken vom Entwässerungsverband Oldersum/Ostfriesland. Die Gräben liefen bei den Regenmassen schnell voll und „ein Sielen ist nicht möglich, wenn die Außenwasserstände so hoch sind“, sagt er. Sprich: Der hohe Stand der Ems verhindert, dass man das Wasser mit dem Gefälle einfach bei geöffneten Sielen ablaufen lassen kann. Vera Vogt fasst die Situation dort zusammen.

Landunter ist in einer Ferienhaussiedlung in Bedekaspel. Tausende Liter Wasser haben sich aus Nebenarmen des Großen Meeres dorthin ergossen. Die Anwohner fürchten sogar den Bruch des Deiches. Mit Sandsäcken versucht seit gestern die Feuerwehr, den Deich an der Wiegboldsburer Riede zu stabilisieren. Am Nachmittag wurden 3000 Stück in die Ferienhaussiedlung gefahren. Den ganzen Abend kam Nachschub vom Technischen Hilfswerk (THW) in Emden und Norden. Am Hasenweg steht das Wasser an einigen Stellen einen Meter hoch und fließt auch in die Häuser. Gabi Boschbach war gestern Nachmittag vor Ort und berichtet. (Fotograf Klaus Ortgies war auch am Großen Meer und steckte im Wasser fest, weshalb er Hilfe beim THW und einen Radlader erbat und die Fotos womöglich erst heute erscheinen können.)

Bei meinem Nachbarn steht seit Samstag eine 20 Meter hohe Tanne schräg. Der nächste Sturm könnte dem Baum den Garaus machen und Schaden anrichten. Was tun? Dieser Frage hat sich Vera Vogt gestern angenommen. Nur wenn „eine Gefahr für die Öffentlichkeit“ von dem Baum ausgeht, sind die Feuerwehren zuständig, sagt Joachim Rand, Sprecher der Weeneraner Feuerwehren. Ist der vorher gesunde Baum umgefallen, greift die Sturmversicherung. Steht er nur schief, ist der Hauseigentümer selbst verantwortlich und muss die Beseitigung am besten durch einen Fachbetrieb selber bezahlen. „Eigentum verpflichtet in diesem Falle“, sagt Signe Foetzki, Sprecherin der Brandkasse.

Wer Schäden am Hausdach hat, muss sich auf lange Wartezeiten einstellen. Der Emder Dachdecker Günther Langheim rechnet damit, dass „wenigstens ein halbes Jahr“ vergehen dürfte, bis auch der letzte Schaden repariert ist. Seine Auftragsbücher waren schon vor der Sturmwoche prall gefüllt. Seit Sonnabend seien er und seine Kollegen bis Einbruch der Dunkelheit damit beschäftigt, möglichst schnell Löcher zu schließen. „Hauptsache dicht“, lautetet die Maxime. Dachdeckermeisterin Petra Schnell sieht die Situation ähnlich. Weil der Sturm nicht überraschend aufzog, sondern im Gegenteil, schon Tage vorher bekannt war, dass es ruppig wird, hatte sie im Betrieb vorsorglich alle 18 Angestellten für das eigentlich freie Wochenende zusammengetrommelt. Gordon Päschel berichtet.

Es ist vertrackt. Der heftige Anstieg der Immobilienpreise auch in Ostfriesland hat ganz viel damit zu tun, dass seit der Wirtschaftskrise 2008 die Bauzinsen extrem niedrig sind. Das ändert sich aber gerade, auch wenn noch nicht klar ist, wann und wie stark. Was hat das für Auswirkungen auf den Immobilienmarkt? Dieser Frage ist Andreas Ellinger gestern nachgegangen. Die Sparkasse Aurich-Norden weist darauf hin, dass „die Notenbanken seit kurzem über eine Anpassung ihrer Geldpolitik diskutieren“. Und: „Die Kapitalmarktzinsen steigen.“ Das schätzt die Ostfriesische Volksbank anders ein. Falls sich die Inflationsrate „nicht nachhaltig senken wird“, würden die Zinsen „auf diesem Niveau“ bleiben, meint die OVB. „Wir gehen aber von einer Seitwärtsentwicklung aus.“

Kommen wir zum Sport: Kickers Emden, sportliches Aushängeschild für Fußball-Ostfriesland, träumt von der Vierten Liga. Nach elf Jahren beschäftigen sich die Kicker von Kickers mit dem Thema Regionalliga-Lizenz. Weil die Mannschaft von Trainer Stefan Emmerling ab Mitte März als Tabellendritter in die zweimonatige Aufstiegsrunde mit zehn weiteren Spielen geht, muss der Fußball-Oberligist nun außerhalb des Platzes seine Hausaufgaben machen. Und es ist nur noch gut ein Monat Zeit für das entsprechende Konzept. Was damit alles zusammenhängt, hat Sören Siemens erfragt.

Was heute wichtig wird:

  • Neben der Bundestagswahl wurde im vergangenen Jahr auch ein neuer Bürgermeister in Leer ins Amt gehoben und der Stadtrat gewählt. Hat sich dieses Wahljahr auch bei den Mitgliederzahlen der Parteien bemerkbar gemacht? Michael Kierstein hat nachgefragt.
  • Nächste Runde für den Ostfrieslandmarkt in Filsum: Jetzt bewirbt man sich um einen gut gefüllten Fördertopf. Es geht um mehr als um das Angebot an Lebensmitteln. Es geht um Geselligkeit und Bildung. Christine Schneider-Berents berichtet.
  • Für „Aktenzeichen Ostfriesland“ befasst sich Gabriele Boschbach mit einem Fall aus dem Jahr 1986. Damals soll im Wangerland eine 41-jährige Landwirtin ihren Ehemann getötet haben. Sie gab an, von ihm jahrelang körperlich misshandelt worden zu sein.
  • Eine Spetzerfehntjerin fühlt sich vom Jugendamt alleingelassen. Ihr Sohn leidet an ADHS und starken Impulsausbrüchen. Ihre Anträge auf Familienhilfe oder andere Unterstützung seien bislang nicht bearbeitet worden, sagt sie. Jens Schönig berichtet.
  • Unter Ausschluss der Öffentlichkeit wurden die Weichen für einen Lidl-Umzug im Emder Stadtteil Wolthusen gestellt. Die Pläne sind weitreichend – und umstritten. Es geht um mehr als einen Supermarkt, berichtet Gordon Päschel
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