Was Sie heute wissen müssen

Dr. Seeber | Gibraltar | Cannabis

Joachim Braun
|
Eine Kolumne von Joachim Braun
| 02.12.2021 06:26 Uhr | 2 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
Artikel hören:
Artikel teilen:

Das Wichtigste aus der Region, jeden Morgen um 6.26 Uhr zusammengefasst von der Chefredaktion der Ostfriesen-Zeitung.

Dr. Christoph Seeber ist Hausarzt in Leer. Ein sehr engagierter, ein guter Arzt, ich kann das beurteilen. Und als Mediziner sieht er Impfungen als großen Fortschritt an. Er neigt auch zu klaren Aussagen. Vor zwei Jahren machte er bundesweit Schlagzeilen, weil er im Zusammenhang mit Masern Impfgegner als „dumm und asozial“ bezeichnete. Eine ähnliche Meinung hat er in der gegenwärtigen Pandemie. Am Dienstagabend machte er seinem Frust auf Facebook Luft. Unglaublich waren die Reaktionen. Mit dem Nazi-Mediziner Dr. Mengele musste er sich vergleichen lassen, ihm wurde buchstäblich die Pest an den Hals gewünscht. Kurz vor der Löschung des Posts waren es 360 Kommentare allein auf Facebook, einer diffamierender als der andere. Mich schockiert diese Härte und Unversöhnlichkeit. Wie sollen wir diese gesellschaftliche Spaltung aufheben, wenn diese Pandemie dereinst überstanden ist?

Eine Leeraner Abonnentin, die gestern Abend wegen der Corona-Berichterstattung ihr Abo kündigte, warf uns vor, wir hätten über Gibraltar nicht berichtet: „Dort sind 100 Prozent geimpft und trotzdem gibt es eine Inzidenz von 1219,9! Warum ist der einzige Weg das Impfen? Wenn eindeutig (siehe Gibraltar) das Impfen nicht funktioniert?“ Das Problem an dieser Aussage: Sie ist falsch. Ja, die Inzidenz auf diesem südspanischen Felsen ist hoch, aber tatsächlich liegt nur ein einziger Gibraltaner (heißen die so?) in der Klinik und das nicht mal auf der Intensiv- sondern auf der Normalstation. Das heißt, die Impfung schützt also tatsächlich, aber nicht vor der Infektion, sondern vor einer schweren Erkrankung - so wie es sein soll, berichtet die Frankfurter Rundschau (wir tatsächlich nicht).

Bleiben wir beim Thema Impfungen. Andreas Ellinger hat gestern hin und her recherchiert und zusammengetragen, wer wann wo in Ostfriesland Impfungen anbietet. So hat allein der Landkreis Aurich gestern über das reaktivierte niedersächsische Impfportal 2400 Termine für Impfaktionen im EEZ ausgeschrieben. In Emden wird heute ohne Termin geimpft, und im Landkreis Leer gibt es dezentral eine ganze Reihe von Impfaktionen. Nicht zu vergessen die Hausärzte.

Der Wunsch der Ministerpräsidentenkonferenz vom Dienstag künftig auch Zahnärzte und Apotheker zum Impfen heranzuziehen, wird allerdings nicht so leicht umsetzbar sein, wie sich das die Damen und Herren Politiker vorstellen. Die Apotheker sagen, dass es eine Gesetzesänderung brauche und ausreichende Vorbereitungszeit. Berend Groeneveld, Norder Apotheker und Vorstandsvorsitzender des Landesapotheker-Verbands Niedersachsen: „In ein paar Monaten ist das nicht zu machen.“ Gar nicht zu machen ist das aus Sicht von Dr. Michael Debbrecht, Vorsitzender des Ostfriesland-Bezirks der Zahnärztekammer Niedersachsen. „Wir sind keine Allgemeinmediziner“, sagt er. Weder rechtlich noch medizinisch halte er es für vernünftig, in Zahnarztpraxen zu impfen. Daniel Noglik berichtet.

Der meistgelesene Artikel gestern auf unserer Onlineseite war der über neue Testmöglichkeiten in Leer. Auch in der Krummhörn tut sich was bei diesem Thema. Die Gemeinde Krummhörn sucht händeringend, wie Claus Hock schreibt, nach Betreibern für weitere Testzentren. Denn Tests brauchen bei Friseur und im Fitnessstudio inzwischen auch geimpfte Besucher, für den Einzelhandel geht es jetzt um ein Zugangsverbot für Ungeimpfte. Die Verbände und die Betroffenen laufen allerdings Sturm gegen die geplante 2G-Regel. „2G-Regelungen für den Einzelhandel sind nicht verhältnismäßig und greifen in die verfassungsgemäß geschützten Rechte der betroffenen Einzelhändler ein“, so Stefan Genth, Chef des Handelsverbands Deutschland.

Auch ein medizinisches Thema, aber doch ein irgendwie ganz anderes. Dass die Ampel-Koalition Cannabis unter bestimmten Voraussetzungen legalisieren möchte, findet Thomas M. aus Leer gar nicht lustig. Und er weiß, wovon er spricht. „Wie kommen die in Berlin nur darauf?“, fragt der 64-Jährige. Cannabis sei kein harmloses Rauschgift. Er habe das Zeug jahrelang geraucht, sei davon und vom Alkohol abhängig geworden. Deshalb könne er aus eigener Erfahrung nur davor warnen, den Gebrauch dieser und anderer Drogen und den Handel damit salonfähig zu machen. Andere Experten, mit denen Nikola Nording gesprochen haben, sehen eine Freigabe anders: Es gehe darum, einen kontrollierten Zugang zu schaffen und den Schwarzmarkt zu beseitigen, sagt Klaus Weber, Leiter der Drogenberatung in Leer. Ein schwieriges Thema, ich bin gespannt, wie die weitere Diskussion läuft.

Der heutige Donnerstag ist ein weltweiter Gedenktag, der „Tag für die Abschaffung der Sklaverei“. Ein Anlass nachzufragen. Wo gibt es heute noch Sklaverei? Gibt es womöglich in Ostfriesland noch so etwas wie Sklaverei? António Guterres, der Generalsekretär der Vereinten Nationen (UN), hat sich dazu gestern geäußert: „Entgegen der Auffassung mancher Menschen, die Sklaverei gehöre der Vergangenheit an, wirft dieses Übel auch weiterhin einen dunklen Schatten auf unsere moderne Welt. Schuldknechtschaft, Leibeigenschaft und Zwangsarbeit, Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung – einschließlich sexueller Ausbeutung, Zwangsheirat und Kinderarbeit – sowie die Einziehung von Kindern in bewaffneten Konflikten sind moderne Erscheinungsformen von Sklaverei.“ Und Andreas Ellinger hat nachgefragt. In der Polizeistatistik gibt es „Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung“. In Ostfriesland sind in den vergangenen 20 Jahren 22 Fälle verzeichnet. Lesen Sie selbst.

Was heute wichtig wird:

  • Am Dienstag ist das Ultimatum abgelaufen, das die Bürgerinitiative Donnerzüge in Leer der Deutschen Bahn gestellt hat. Wie geht es jetzt weiter? Wird Klage eingereicht? Oder hat die Bahn neue Angebote gemacht? Katja Mielcarek hat nachgefragt.
  • Stefan Sinning ist ehemaliger Junkie. Durch ein Methadonprogramm hat den Weg aus seiner Heroin-Sucht gefunden. Halt geben dem 38-Jährigen seine beiden Hunde. Durch sie hat er es schwer, eine Wohnung zu finden. Tatjana Gettkowski hat mit ihm darüber gesprochen.
  • Angela Merkel wünscht sich für den Großen Zapfenstreich zum Abschied unter anderem ein Stück von Nina Hagen. Was würden lokale Promis wie Landrat Olaf Meinen sich wünschen, wenn sie musikalisch verabschiedet würden? Marion Luppen fragt nach.
  • Eine 18-Jährige aus Wiesmoor soll in Wilhelmshaven einen Hund trainiert haben. Das Tier biss trotzdem zu. Nun steht die 18-Jährige vor Gericht. Bettina Keller berichtet von der Verhandlung.
  • Die Janssens leben idyllisch am Waldrand nahe Friedeburg. Das tröstet sie ein bisschen darüber hinweg, dass sie in Sachen Internet abgehängt sind. Mit zwei Teenagern im Haus, die hoffen, dass Homeschooling nicht erneut Thema wird. Susanne Ullrich traf die Familie.
  • Ostfriesische Gulfhöfe sind einzigartig, sie sind imposant - und oft sind sie auch sanierungsbedürftig. Wie lebt es dich in so einem alten Gemäuer? Michael Hillebrand hat sich mit einem Gulfhof-Besitzer unterhalten.

Wenn Sie diesen Nachrichtenüberblick jeden Morgen bequem per E-Mail zugestellt bekommen möchten, dann abonnieren Sie doch einfach unseren Newsletter.

Ähnliche Artikel