Trauer

„Einfach ein feiner Mensch“

Petra Herterich und der Agentur
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Von Petra Herterich und der Agentur
| 26.10.2020 13:26 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Der plötzliche Tod von Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann hat tiefe Bestürzung ausgelöst. Auch unter den ostfriesischen Abgeordneten und Weggefährten. Getrauert wird über Parteigrenzen hinweg.

Berlin/Ostfriesland - Der überraschende Tod von Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann hat parteiübergreifend tiefe Bestürzung ausgelöst. Der 66-jährige SPD-Politiker war am Sonntagabend nur Minuten vor einem geplanten Interview mit dem ZDF zusammengebrochen, wie der Fernsehsender am Montag erklärte. Zur Todesursache gab es zunächst keine Informationen.

Bevor er in den Bundestag kam, saß der geborene Westfale seit 1990 im Niedersächsischen Landtag. 1998 holte ihn Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) in sein Kabinett und machte ihn zum Wissenschaftsminister. Das blieb er bis zur SPD-Wahlniederlage 2003.

Große Trauer bei der SPD in Ostfriesland

Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) betonte: „Unser Land verliert einen versierten Politiker, der Bundestag einen herausragenden Vizepräsidenten und die SPD einen leidenschaftlichen und kämpferischen Genossen. Wir alle verlieren einen Freund - und sind traurig.“

Auch Siemtje Möller, Parteifreundin und Bundestagsabgeordnete aus Varel, reagierte „unendlich geschockt und traurig“. Möller kannte Oppermann seit ihrem Eintritt in die SPD in Göttingen, Oppermanns Wahlkreis. Sie habe ihn dort „als glühenden Sozialdemokraten und beliebten Abgeordneten kennen und schätzen gelernt“, schreibt Möller in einer Mitteilung. Er sei für sie ein „prägender Begleiter“ gewesen, der eine große Lücke hinterlassen werde. Mit Oppermann verliere man „einen klugen, streitbaren und leidenschaftlichen Sozialdemokraten“. „Es ist unvorstellbar, dass er nicht mehr da ist“, schreibt Siemtje Möller.

So geht es auch Johann Saathoff. Der SPD-Bundestagsabgeordnete aus Emden teilt mit: „Thomas Oppermann war ein leidenschaftlicher Kämpfer für die Demokratie, überzeugter Parlamentarier und engagierter Bundestagsvizepräsident. Seine Stimme und sein Einsatz werden fehlen. Meine Gedanken sind bei seiner Familie und seinen Freundinnen und Freunden.“

Auch die Kanzlerin ist bestürzt

Johanne Modder, Vorsitzende der SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, schrieb in einem Post auf Facebook zu einem Bild von Thomas Oppermann, dass sie „unsagbar traurig und fassungslos“ sei. „Mit Thomas geht ein großer Politiker, aber allem voran ein treuer Wegbegleiter und guter Ratgeber“, sagte sie in Hannover.

Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich bestürzt und tief traurig. „Ich habe ihn über viele Jahre als verlässlichen und fairen sozialdemokratischen Partner in Großen Koalitionen geschätzt“, sagte sie nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert über Oppermann. Als Vizepräsident des Bundestags habe sich der SPD-Politiker „in turbulenter Zeit um unser Parlament verdient gemacht“.

Über Parteigrenzen beliebt

Oppermann war über die Parteigrenzen hinweg anerkannt und beliebt. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann (Hesel) schrieb auf Facebook über Oppermann. Er sei immer, „zuvorkommend, gradlinig, humorvoll“ gewesen. „Einfach ein feiner Mensch“. Natürlich sei man inhaltlich nicht immer auf einer Linie gewesen. Aber heftige Diskussion habe es nur in der Sache gegeben „nie zwischenmenschlich“.

Oppermann war nach ZDF-Angaben am Sonntag zum Thema „Bundestag und Corona“ als Live-Interviewgast in die Sendung „Berlin direkt“ eingeladen. Er sollte aus dem Göttinger Max-Planck-Institut in die Sendung geschaltet werden. Während der erste Beitrag lief, sei er aber plötzlich zusammengebrochen. Oppermann sei dann in die Universitätsklinik Göttingen gebracht worden. „Das ganze Team von „Berlin direkt“ ist bestürzt und tief betroffen“, teilte der Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios, Theo Koll, mit. Noch im Vorgespräch habe Oppermann wie gewohnt entspannt gewirkt.

Oppermann wollte nicht wieder antreten

Der in Niedersachsen politisch groß gewordene SPD-Politiker hatte Ende August angekündigt, bei der kommenden Bundestagswahl nicht erneut anzutreten. „Nach 30 Jahren als Abgeordneter im Niedersächsischen Landtag und im Deutschen Bundestag ist für mich jetzt der richtige Zeitpunkt, noch einmal etwas anderes zu machen und mir neue Projekte vorzunehmen“, erklärte er damals. Gerade nach dieser Ankündigung habe Oppermann in sich geruht und sei aber zugleich „voller Vorfreude auf kommende Projekte“ gewesen, berichtete Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble am Montag. „Ich behalte ihn vor allem als Vollblut-Parlamentarier in Erinnerung.“

Oppermann war 2005 in den Bundestag eingezogen. Von 2013 bis 2017 war der Jurist Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Seinen Wahlkreis Göttingen gewann er viermal hintereinander direkt. Zuletzt setzte sich der 66-Jährige besonders für eine Verkleinerung des Bundestags und eine Reform des Wahlrechts ein.

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