Berlin (dpa)

RKI-Chef: Großteil der Ansteckungen im privaten Bereich

| 22.10.2020 12:21 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Freunde, Feste, Familientreffen: Die privaten Kontakte sind nach Angaben des Robert Koch-Instituts zurzeit der Hauptgrund für den rasanten Anstieg der Corona-Infektionszahlen. Ein Schlüsselwort lautet Mitverantwortung - vor allem für junge Leute.

Die dramatisch steigenden Corona-Infektionszahlen in Deutschland hängen nach einer Analyse des Robert Koch-Instituts (RKI) vorwiegend mit Ansteckungen im privaten Bereich zusammen.

Es gehe vorwiegend um Feiern, Treffen mit Freunden oder der Familie, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler am Donnerstag in Berlin. Das Geschehen steigere sich drastisch. Inzwischen sei es möglich, dass sich das Coronavirus regional unkontrolliert ausbreiten könne. Es müsse davon ausgegangen werden, dass es wieder mehr schwere Fälle und Tote geben werde.

Wieler appellierte erneut, Corona-Regeln wie Hygiene und Abstandhalten konsequent einzuhalten. Der RKI-Präsident sprach sich dafür aus, auch bei Treffen in Innenräumen eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Jungen Menschen komme eine Mitverantwortung zu, dass sich das Virus nicht weiter ausbreite. Es gebe weiterhin die Chance, das Ausbruchsgeschehen zu verlangsamen, betonte er. Dazu könne jeder Mensch viel selbst beitragen. Wichtig seien so wenig neue Infektionen wie möglich. Die Zahl der nachgewiesenen Corona-Neuinfektionen ist innerhalb eines Tages in Deutschland erneut stark gestiegen und hat erstmals den Wert von 10.000 überschritten.

Die Gesundheitsämter meldeten nach RKI-Angaben vom Donnerstagmorgen 11.287 Fälle binnen 24 Stunden. Die neuen Werte spiegeln das Infektionsgeschehen der vergangenen Wochen wider, nicht die aktuelle Lage. Auch die Sieben-Tage-Inzidenz - die Zahl der Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche - ist weiter gestiegen. Sie gab das RKI am Donnerstag im Bundesschnitt mit 56,2 (Vortag 51,3) an.

„Ein Großteil der Menschen steckt sich (...) im privaten Umfeld an“, betonte Wieler. Es gehe dabei vor allem um fröhliche Feiern mit körperlicher Nähe. Im Moment seien eher jüngere Menschen von Infektionen betroffen. Deshalb gebe es zur Zeit mehr leichtere Erkrankungen als im Frühjahr. Doch auch der Anteil der älteren Infizierten steige wieder an. Im Moment seien in allen Altergruppen rund drei Prozent der Tests positiv und diese Rate steige weiter. Anfang August seien weniger als ein Prozent der Tests positiv gewesen. Im März und April habe dieser Wert bei neun Prozent gelegen.

Im Vergleich zu privaten Treffen spielten derzeit Ausbrüche an Schulen sowie Infektionen durch die Nutzung von Verkehrsmitteln, am Arbeitsplatz oder nach Übernachtungen in Hotels eine weniger große Rolle. Klar sei aber auch, dass bei weiter steigenden Fallzahlen zum Beispiel wieder mehr Schulen betroffen sein würden und auch mehr Alten- und Pflegeheime, erläuterte Wieler. Ein möglicher Lockdown sei abhängig von der lokalen Situation.

Wieler appellierte an die Gesundheitsämter, trotz Überlastung an der Nachverfolgung der Fälle und Ermittlung von Kontaktpersonen durchzuhalten. Die Lage in einigen Gesundheitsämtern sei „ernst und besorgniserregend“, sagte er. Doch man müsse jede Anstrengung auch unter diesen Umständen aufrechterhalten und dürfe nicht aufgeben, sondern weitermachen „nach bestem Wissen und Gewissen“. Die Pandemie müsse auf einem beherrschbaren Level gehalten werden. Ein Wechsel der bisherigen Strategie sei deshalb nicht anzuraten.

Dass die Todesfall-Raten im Frühjahr höher lagen als jetzt im Herbst erklärte der RKI-Chef damit, dass Deutschland am Anfang der Pandemie von der Geschwindigkeit der Ausbreitung bis zu einem gewissen Grad überrascht worden sei. Der Schutz der Risikogruppen wie etwa alter und kranker Menschen sei noch nicht so gut gewesen. Inzwischen würden Altenheime und Krankenhäuser besser geschützt. Man stelle mit den steigenden Infektionszahlen nun aber wieder ein langsames Eindriften des Virus in diese Einrichtungen fest. Gefährdete Menschen über Monate zu isolieren, sei jedoch weder umsetzbar noch vertretbar.

Das RKI rechnet 2021 mit der Zulassung eines Impfstoffs gegen das neue Coronavirus. Ein genauer Zeitpunkt dafür lasse sich noch nicht nennen, sagte Wieler. Ein Konzept, wer dann zuerst geimpft werde, sei in Arbeit. Es gehe dabei vor allem um Bevölkerungsgruppen, die ein höheres Risiko hätten sich anzustecken und um Gruppen mit einem höheren Risiko schwer zu erkranken.

© dpa-infocom, dpa:201022-99-38940/5

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