70 Jahre OZ

Was Hannes Flesner wohl über das EEZ in Aurich gesagt hätte?

Marion Luppen
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Von Marion Luppen
| 09.10.2020 00:00 Uhr | 1 Kommentar | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Der braven Beamtenstadt Aurich sind die Millioneneinnahmen zu Kopf gestiegen. Doch mit der Firma Enercon geht es bergab, die Gewerbesteuerquellen sprudeln nicht mehr. Die Party ist vorbei.

Aurich - Es war einmal eine Stadt, die war stolz darauf, das Zentrum Ostfrieslands zu sein. Ein Zentrum mit 42 000 Einwohnern, aber ohne Bahnhof und ohne Autobahnanschluss. Das gibt es nur in Aurich.

Der Stolz hat historische Wurzeln. Im 16. Jahrhundert wurde Aurich Hauptstadt der Grafschaft und des späteren Fürstentums Ostfriesland, im 19. Jahrhundert Hauptstadt des Regierungsbezirks. Im und um das Schloss, wo einst Grafen residierten, sind heute Behörden wie das Landgericht, die Staatsanwaltschaft und das Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung ansässig. Mit anderen Worten: Aurich hat eine jahrhundertealte Tradition als Beamtenstadt.

Die umliegenden Gemeinden konnten nur neidisch zuschauen

Zum industriellen Schwergewicht wurde die Beamtenstadt durch den Windanlagenhersteller Enercon. Das Unternehmen wurde 1984 von dem Emsländer Aloys Wobben gegründet und ist dem Stammsitz Aurich bis heute treu. 2013 erreichten die Gewerbesteuereinnahmen – vor allem dank Enercon – den Rekordwert von 166,7 Millionen Euro. Das sind Zahlen einer Großstadt.

Schon damals gab es warnende Stimmen: Man dürfe nicht so tun, als ginge das immer so weiter. Kaum jemand wollte das hören. Der plötzliche Reichtum stieg vielen im Rathaus zu Kopf. Das Geld wurde mit vollen Händen ausgegeben. Kindergartengebühren? Die hat Aurich schon vor Jahren abgeschafft. Die umliegenden Gemeinden konnten nur neidisch zuschauen. Die Feuerwehren wurden gut ausgestattet. Vereine mussten nur sagen, wie viel sie brauchen, dann flossen die Zuschüsse.

Das EEZ kostete 26,8 Millionen Euro

Als 2012 der Umbau des Georgswalls geplant wurde, geriet Aurich in die Schlagzeilen: Man wollte eine 320 Meter lange Bank aus Granit bauen lassen. Kostenpunkt: bis zu eine Million Euro. Mit einer Nachfrage beim Bund der Steuerzahler löste die Ostfriesen-Zeitung damals ein bundesweites Medienecho aus. Die „Georgsbank“ wurde am Ende doch nicht gebaut. Die Stadt leistete sich jedoch andere teure Neubauten, unter anderem ein Schwimmbad, ein Familienzentrum und das Energie-, Bildungs- und Erlebniszentrum (EEZ). Das EEZ, eröffnet 2015, sollte zum Zentrum der Windkraft und zum Touristenmagneten werden. Wurde es nie. Das an ein Raumschiff erinnernde Gebäude, das 26,8 Millionen Euro gekostet hat, steht heute weitgehend unbeachtet im Stadtteil Sandhorst und verursacht nichts als Kosten, die der Stadt wehtun.

Denn mit Enercon geht es bekanntlich seit Jahren bergab. Zudem musste Aurich einen Teil der Steuermillionen zurückzahlen, weil sie anderen Enercon-Standorten zustanden. Kurz und gut: Die Geldquellen sprudeln nicht mehr, in der Haushaltspolitik ist Schmalhans Küchenmeister. Und nun noch Corona.

„Verstand kummt mit Jahren“

Bürgermeister Horst Feddermann (parteilos), seit knapp einem Jahr im Amt, würde das EEZ am liebsten dichtmachen, doch so einfach ist das nicht. Er wird die Altlasten nicht los. Ein anderes Auricher Prestigeprojekt wird derweil abgewickelt: die Stadtwerke. Sie wurden einst von der Stadt und der Firma Enercon gegründet, um das goldene Zeitalter der Windenergie einzuläuten: grüner Strom aus Aurich für Aurich, vertrieben im eigenen Netz. Auch dieser geplatzte Traum kostet den Steuerzahler Millionen.

Mensch Aurich, wärst du nur ein bisschen bescheiden geblieben. Eigentlich bist du wunderschön. Wer das nicht glaubt, der sollte zur Schleuse Kukelorum fahren. In der urigen Schankwirtschaft inmitten der Wallheckenlandschaft am Ems-Jade-Kanal feierte einst der Liedermacher Hannes Flesner legendäre Geburtstagspartys. Fast 40 Jahre nach seinem Tod feiern seine Fans weiter, wenn sie nicht gerade durch eine Pandemie gebremst werden.

Was der „Schangsongjeh“ wohl über das EEZ gesagt hätte? Wir können ihn leider nicht fragen. So bleibt nur die Hoffnung in Form eines seiner Songtitel: „Verstand kummt mit Jahren“. Hoffentlich nicht zu spät für Aurich.

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