70 Jahre OZ

Was die OZ-Leser wirklich interessiert

Joachim Braun
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Von Joachim Braun
| 09.10.2020 00:00 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Dank neuester Technik weiß die Redaktion, was die Abonnenten im Internet und in der Zeitung interessiert. Dafür greifen die Reporter unter anderem auf ein sogenanntes „Data-Warehouse“ – ein Lager voller Daten – zurück.

Leer - Am Anfang standen Bauchgefühl und die Meinung des Chefs. In Zeiten, in denen Lokaljournalisten noch keine Ahnung hatten, was ihre Leser wirklich interessierte – und das trifft auf ungefähr 400 der 415 Jahre Zeitungsgeschichte zu – da wurde vor allem nach Erfahrung, eigenen Interessen und pauschalen Vorstellungen vom Leser und der eigenen Rolle entschieden. Das letzte Wort hatte natürlich der Chef.

Daran hat sich natürlich grundsätzlich nichts geändert, aber inzwischen weiß die OZ-Redaktion ziemlich genau, für welche Themen sich die meisten Leser interessieren. Sowohl in der gedruckten Zeitung als auch auf unseren Digitalauftritten.

Aktualität ist die Stärke des Internets

Bei letzteren sind diese Kenntnisse einfach zu bekommen. Jeder Klick auf einen Artikel wird gezählt. Registriert werden aber auch die Nutzer selber (anonym, anhand ihrer IP-Adresse). Die sogenannten „Unique User“ (rund eine halbe Million pro Monat) werden, unabhängig davon, wie viele Artikel sie anklicken, einmal am Tag gezählt. Die eingesetzte Analyse-Software kommt übrigens von Google. Mit einem nachgeschalteten „Data-Warehouse“, einer Software, die uns ein schwedischer Dienstleister gebaut hat, werden die Daten seit einem halben Jahr gefiltert und für die Redaktion und andere Verlagsabteilungen nutzbar gemacht.

In Echtzeit können wir inzwischen an allen Arbeitsplätzen verfolgen, welche Artikel gerade am gefragtesten sind. Die besondere Stärke des Internets ist bekanntlich die Aktualität: Besonders bei größeren Unfällen kann es sein, dass hunderte Nutzer gleichzeitig auf einen Artikel zugreifen. In sozialen Medien, wie Facebook, gehen solche Texte viral. Das heißt, sie verbreiten sich, indem Nutzer die Links zur OZ teilen.

Nutzer sind nicht gleich Nutzer

Natürlich sind Nutzer nicht gleich Nutzer. Die Interessen sind so unterschiedlich wie die Menschen. Darum sind für uns auch viele andere Daten wichtig. Etwa die Lesedauer, also die Zeit, die ein „User“ mit einem Text verbringt, oder auch das sogenannte „Engagement“, also die Zahl der Kommentare zum Beispiel auf Facebook. Und bei Artikeln, die hinter der Bezahlschranke stehen und nur von Abonnenten lesbar sind, interessiert uns natürlich, wie viele Leser den Text tatsächlich lesen konnten und nicht nur die ersten fünf Zeilen.

Den Ehrgeiz der Redakteure animiert zudem noch die Zahl der „Conversions“, jene Artikel, die zu digitalen Probeabos führen. Gerade das große Informationsbedürfnis in den ersten Monaten der Corona-Krise haben für eine enorme Nachfrage nach unseren Online-Abos gesorgt.

Ergebnisse waren für viele Redakteur überraschend

Und was interessiert die Leser der gedruckten Zeitung? Auch darüber wissen wir seit einem Jahr gut Bescheid. Zwei Monate lang hatten wir die gut 130 Teilnehmer der „Lesewert“-Studie, allesamt Abonnenten aus Stadt und Landkreis Leer, mit einem Scan-Stift ausgestattet und sie gebeten, die Artikel, die sie lesen, an der Stelle zu markieren, bis zu der sie lesen. Die Daten wurden per Handy übertragen und ausgewertet: Jeder Artikel bekam einen sogenannten Lesewert.

Die Ergebnisse waren für viele Redakteure überraschend, aber eigentlich sind sie es auch nicht: Zeitungsleser (genauso wie die Online-Leser) interessieren sich für alles, was sie in ihrem Alltagsleben betrifft: für Themen wie Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Gastronomie, Sicherheit, Straßenverkehr, kommunalpolitische Entscheidungen und Geschichten über andere Ostfriesen.

Nur sehr wenige Abonnenten, nämlich die unmittelbar Betroffenen, lesen Texte über Vereinsversammlungen und politische Debatten oder auch Konzertkritiken und Fußballspiele. Darauf wollen wir natürlich nicht ganz verzichten, trotzdem bestimmen die Muss-Themen inzwischen unsere redaktionelle Arbeit. Die Frage lautet: Warum soll dieses Thema unseren Leser interessieren?

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