70 Jahre OZ

Ostfriesisches Geschäft auf den Meeren dieser Welt

Martin Teschke
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Von Martin Teschke
| 09.10.2020 00:00 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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In Banken geht es langweilig zu, so das gängige Vorurteil. Dabei kommt es auch hier immer wieder zu unfreiwilligen Abenteuern. Ein Blick in die Ostfriesische Volksbank.

Leer - Wer auf die ostfriesische Wirtschaft in den vergangenen sieben Jahrzehnten blickt, kommt an den Finanzdienstleistern nicht vorbei – jenen Instituten, die gerade den so wichtigen Mittelstand mit seinen vielen Arbeitsplätzen stützen. Die Ostfriesische Volksbank (OVB) zum Beispiel hat dabei zusätzlich ein ganz besonderes Geschäft im Blick: Schiffsfinanzierungen. Es geht um Hunderte Millionen Euro und immer auch um ein wenig Abenteuer.

„Insgesamt kümmern wir uns um ein Kreditvolumen bei der Finanzierung in der Seeschifffahrt von einer Milliarde US-Dollar“, sagt OVB-Vorstand Holger Franz im Gespräch mit der OZ. Im Jahr 2008 hatte die Bank etwa 100 Schiffe von damals insgesamt 3800 unter deutschem Management im Portfolio. Zurzeit gibt es nach Angaben des Verbands Deutscher Reeder gut 2000 Handelsschiffe in deutschem Eigentum. Franz: „Wir finanzieren heute mehr als 300 davon, decken also 15 Prozent des Marktes ab.“ Zurzeit hat die OVB 400 Millionen Euro an Krediten im eigenen Buch, weitere etwa 400 Millionen Euro bei Partnern unter ihrer Konsortialführerschaft.

Internationale Verwicklungen

Vom vergleichsweise kleinen Leer aus finanziert die OVB vor allem Schiffe aus dem Nordwesten, die hauptsächlich in Europa in Nord- und Ostsee und im Mittelmeer unterwegs sind. Ein Drittel der Schiffe ist aber auch weltweit im Einsatz. Es handelt sich dabei um spezielle Schiffsklassen wie zum Beispiel so genannte Multi-Purpose-Schiffe, also Mehrzweck-Frachtschiffe mit einem Neubauwert zwischen acht und 20 Millionen Euro. In der Regel beträgt der Bankenanteil an der Finanzierung etwa die Hälfte, der Rest resultiert aus dem Eigenkapital der Reeder. Container-Riesen oder gar Kreuzfahrtschiffe wären ein paar Nummern zu groß für die OVB. Denn: „Obwohl wir im Markt der Schiffsfinanzierungen weiter wachsen, werden wir das Volumen der Kredite in der Seeschifffahrt unter 20 Prozent unseres Gesamtkreditvolumens halten“, betont Franz.

Obwohl man sich in Leer gern bescheiden gibt, sind bei dieser Art von Geschäften internationale Verwicklungen nicht ganz ausgeschlossen. „Da wir die Risiken gut abschätzen können, läuft das Geschäft äußerst reibungslos – jedenfalls meistens“, sagt Guido Mülder, Leiter Firmenkunden Seeschifffahrt bei der OVB. „Auch mit Piraten haben wir schon unsere Erfahrungen machen müssen.“ Der Vorfall liegt fast zehn Jahre zurück. Laut Mülder hatte sich das LKA damals in der betroffenen Reederei einquartiert und wochenlang mit den Piraten in Somalia verhandelt. „Irgendwann musste ich die Lösegeldsumme zu einer gecharterten Antonow bringen – mitsamt deutschen Kopfschmerztabletten, die einer der Unterhändler unbedingt haben wollte“, erinnert sich Mülder. „Das war schon etwas skurril.“ Das Geld sei dann über dem Meer abgeworfen worden. Wie sich später herausgestellt habe, hätten die Drahtzieher in Europa gesessen. Mehr Details sind dem Banker nicht zu entlocken.

Gefahr für Handelsschifffahrt

Trotz aller Widrigkeiten setzt die OVB weiter auf Schiffsfinanzierungen, macht sich allerdings auch Sorgen. „Unterm Strich sehe ich die deutsche Handelsschifffahrt in Gefahr“, sagt Vorstand Franz. Immer weniger Handelsschiffe stünden unter deutschem Management. Und wenn die Schiffe in Deutschland nicht mehr finanziert würden, dann gehe auch ein Teil der Wertschöpfungskette verloren. Er fürchtet, dass Finanzierungslücken entstehen – auch im Hinblick auf die viel diskutierte Energiewende. Franz: „Wer soll denn zum Beispiel all die neuen, ökologischen Schiffe finanzieren?“

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