Pandemie-Folgen

Corona bereitet der Justiz Sorgen

Marius Börgmann und den Agenturen
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Von Marius Börgmann und den Agenturen
| 15.09.2020 11:58 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Auch die Gerichte müssen sich an Corona-Regeln halten. Das führt zu Problemen: In so manchem Gerichtssaal ist nicht genug Platz, um die Abstandsregeln einhalten zu können. Wie ist die Lage in Ostfriesland?

Oldenburg/Ostfriesland - Zelte, Theater oder Stadthallen – die niedersächsischen Gerichte nutzen derzeit Ausweichräume, weil ihre Sitzungssäle in Corona-Zeiten zu klein sind. Weil der Mindestabstand auch vor Gericht eingehalten werden muss, finden oft nicht alle Prozessbeteiligten Platz. Einige Gerichte haben Räume außerhalb angemietet. In Oldenburg wird Abhilfe geschaffen durch drei behelfsmäßige Säle in Containern. Auch in Ostfriesland wird bereits nach Lösungen gesucht.

„Die Arbeit der Justiz muss weitergehen“, sagte Justizministerin Barbara Havliza (CDU) bei ihrem Besuch in Oldenburg. „Die Lösung in Oldenburg zeigt, dass die Gerichte in der Lage sind, schnell und flexibel zu reagieren. Als Übergangslösung finde ich die Container hilfreich und gut.“

Vier Container für das Landgericht Oldenburg

Am Landgericht Oldenburg seien drei von sechs Sälen für Strafprozesse unter den Corona-Regeln nicht nutzbar, sagte Landgerichtssprecher Torben Tölle. Probleme bereiten vor allem Prozesse mit mehreren Angeklagten, entsprechend vielen Anwälten und einem großen Interesse von Zuschauern und Medien.

Die drei Containersäle in Oldenburg sind jeweils 54 Quadratmeter groß. In einem vierten Container können Zeugen und Sachverständige warten.

Wie ist die Lage in Ostfriesland?

Das Landgericht in Aurich hat mit einem neuen Saalbelegungskonzept auf die neuen Anforderungen reagiert. Für die großen Verfahren werden die beiden großen Strafsäle genutzt. Zusätzlich seien die Videoverhandlungen ausgebaut worden, wie Pressesprecher Stefan Büürma sagte. Prozessbeteiligte von außerhalb seien von dieser Änderung durchaus angetan. Trotz all dieser Maßnahmen könne laut Büürma jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass noch ein weiterer Saal angemietet werden muss. Denn wegen der Corona-Pandemie ist ein Verfahrensstau aufgelaufen. Wie groß der ist, könne er nicht genau sagen. Es handele sich jedoch um eine große Menge an Verfahren, die im Moment betroffen seien, so Büürma.

Am Amtsgericht Leer tauschen die Richter nach Bedarf die Säle. Archivbild: Wieking
Am Amtsgericht Leer tauschen die Richter nach Bedarf die Säle. Archivbild: Wieking
Im Amtsgericht Leer ist man mit der Problematik auch konfrontiert. Hier tauschen die Richter die Säle je nach Bedarf, so dass sie möglichst effizient genutzt werden, wie Pressesprecher Heiko Brahms sagte. Dabei könne es allerdings zu „Beschränkungen für die Öffentlichkeit kommen“. Gemeint ist damit, dass bei einzelnen Fällen die Zuschauerzahl begrenzt wird. Dies sei bisher aber nicht nötig gewesen, so Brahms weiter.

Am Amtsgericht Emden habe man derzeit keine Probleme, die Zuschauer unterzubringen. Das sagte der Pressesprecher Günther Bergholz. Zwar könnten in den meisten Fällen nur sechs bis sieben Personen Platz nehmen. „Bislang waren aber auch nicht mehr als sieben Personen da“, so Bergholz. Sollte es einen Prozess mit größerem Öffentlichkeitsinteresse geben, würde das Gericht auf eine geeignete Räumlichkeit ausweichen.

Der Verfahrensstau bereitet Probleme

„Viele Gerichte haben kleinere Säle stillgelegt“, sagte der Vorsitzende des Niedersächsischen Richterbundes, Frank Bornemann. Ein Problem derzeit: „Wir können die Öffentlichkeit nur begrenzt zulassen.“ Dabei ist Öffentlichkeit bei Verfahren einer der Eckpfeiler des deutschen Rechtssystems.

Die Raumnot wegen Corona habe auch „einen gewissen Verfahrensstau geschaffen“, sagte Bornemann. „Die sogenannten Sechsmonatsvorlagen sind zahlenmäßig explodiert.“ Wenn ein Landgericht das Hauptverfahren nicht binnen sechs Monaten nach Festnahme des Angeklagten eröffnen kann, muss es das Oberlandesgericht (OLG) um Fristverlängerung bitten.

Frank Bornemann ist Vorsitzender des niedersächsischen Richterbundes. Bild. Stratenschulte/DPA
Frank Bornemann ist Vorsitzender des niedersächsischen Richterbundes. Bild. Stratenschulte/DPA
Bornemann als Richter am OLG Celle sagte, in diesem Jahr habe es bereits 36 solche Anträge gegeben. Sonst seien es nur vier bis sieben im Jahr. Zugleich sagte er übereinstimmend mit dem Justizministerium, dass kein Prozess wegen der Corona-Einschränkungen geplatzt sei. Kein Angeklagter habe auf freien Fuß gesetzt werden müssen. Der Bund hat die Strafprozessordnung so geändert, dass Unterbrechungen nicht das gesamte Verfahren gefährden.

Wie ist die Lage in anderen Regionen?

Das Landgericht Verden halte seine großen Prozesse in der Stadthalle ab, sagte Sprecher Rouwen Seeberg. Die Landgerichte Hannover und Stade weichen nach Ministeriumsangaben auf Veranstaltungsräume aus. Das Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck wird im Festsaal einer Gaststätte tagen.

Das Amtsgericht Geestland will im Oktober für einige Tage ein etwa 100 Quadratmeter großes Zelt auf seinem Gelände aufstellen. Dort sollen Zwangsversteigerungen stattfinden. Das Amtsgericht Vechta verlegt die Versteigerungstermine im November in ein Theater.

Infos zum Umgang mit dem Corona-Virus in der Justiz vom Ministerium gibt es hier.

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