Port Louis (dpa)

Wut und Trauer: Ölkatastrophe auf Mauritius

Gioia Forster, dpa
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Von Gioia Forster, dpa
| 13.08.2020 11:07 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Mauritius lebt vom Tourismus. Doch wegen der Corona-Pandemie bleiben die Reisenden schon seit Monaten weg. Nun trifft das Urlaubsparadies eine zweite Katastrophe. Die Bewohner des Inselstaats schwanken zwischen Verzweiflung und Wut.

Erst kam die Pandemie. Mukesh Buldewa musste all seine Tauchzentren auf Mauritius vorübergehend zu machen, wie er erzählt. Nach Monaten wurden die Corona-Maßnahmen in dem Inselstaat endlich gelockert, Tauchen war wieder möglich.

Doch dann kam die Ölkatastrophe. Anstatt mit Kunden in grünblauen Gewässern tauchen zu gehen, steht der 45-Jährige nun knietief in Treibstoff und hilft mit, in dem Urlaubsparadies eine Umweltkatastrophe abzumildern. Wann er dort wieder mit Gästen tauchen kann, wisse er nicht.

Ein 300 Meter langer japanischer Frachter ging vor fast drei Wochen vor der Südostküste von Mauritius auf Grund. Tagelang wurde er von den Wellen des tosenden Meers gepeitscht - bis einer seiner Tanks riss. Mehr als 1000 Tonnen Treibstoff flossen in die Lagune vor Pointe d'Esny. Während Einsatzkräfte und Tausende freiwillige Helfer in einem Wettlauf gegen die Zeit versuchen, das Öl zu entfernen, nennt die Regierung es schon jetzt das schlimmste ökologische Desaster, das Mauritius je erlebt hat. Doch was bedeutet das für die Menschen in dem Touristenparadies, die ohnehin unter der Corona-Krise leiden? Umweltberater Sunil Dowarkasing sagt: „Die sozialen und finanziellen Folgen dieser ökologischen Krise sind massiv.“

Der kleine Inselstaat im Indischen Ozean lebt vom Tourismus. Die kristallklaren Gewässer und kilometerlangen weißen Strände ziehen jährlich mehr Urlauber an, als es Einwohner gibt - 1,38 Millionen im Jahr 2019. Der Sektor machte 2017 dem Tourismusministerium zufolge acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts und zehn Prozent der Beschäftigung aus.

Die schönsten Tauchspots der Insel liegen zwar im Norden und Westen, doch der Süden hat die „wildesten und schönsten Landschaften“, wie die Tourismusbehörde schreibt. Ein Korallenriff verleiht der Bucht, vor der das Schiff gestrandet liegt, ein blaugrünes Leuchten. In der Lagune liegt die Insel Île aux Aigrettes, ein Naturreservat, in dem sich Flora und Fauna tummeln, die nirgendwo anders zu finden sind. Zwischen weißen Stränden und Mangroven-Wäldern liegt der Fischerort Mahébourg, in dem Besucher über die Napoleonischen Kriege und den Sklavenhandel lernen können. Und um die Ecke liegt im Blue Bay Marine Park ein Schnorchelparadies: „Im Gegensatz zum Rest der Insel gibt es hier eine große Vielfalt an Korallen, die bis direkt unter die Wasseroberfläche gehen“, erklärt Nicolas Kromer, ein deutscher Tauchbasenleiter auf Mauritius.

Das wird nun bedroht. Tonnenweise Öl wurde bereits an Land geschwemmt, wie eine Decke liegt es auf Küstenstreifen und klebt zwischen den Mangrovenbäumen. Umweltschützer machen sich vor allem Sorgen, dass sich der Treibstoff auf dem Meeresboden festsetzen könnte, sollte er nicht schnell genug abgepumpt werden. „Korallen werden sterben“, sagt Vikash Tatayah von der Mauritian Wildlife Foundation. Die Katastrophe könne schwere Konsequenzen für etliche Tierarten haben, und dies könne sich durch das ganze Ökosystem ziehen, warnt Kromer. Die Bucht zu säubern wird Tatayah zufolge Monate, wenn nicht Jahre dauern. „Um sie zu ihrem Ursprung wiederherzustellen, wird es Jahrzehnte dauern.“

Doch das können sich die Menschen von Mauritius kaum leisten. Bereits jetzt leidet der Inselstaat extrem unter der Corona-Krise. Wegen der Pandemie wurde im März ein harter Lockdown verhängt, Hotels wurden geschlossen und der internationale Flugverkehr eingestellt. Die Zahl der Touristen werde in diesem Jahr um schätzungsweise 70 Prozent einbrechen, sagt Taslimah Joomun, eine Mitarbeiterin der Statistikbehörde. Wann Urlauber aus dem Ausland wieder einreisen können, ist noch unklar - frühestens im September.

„Für die meisten Menschen in dieser Küstenregion ist die Lebensgrundlage das Meer“, sagt der Umweltberater Dowarkasing. Viele Bewohner verdienen ihr Geld durch Tauch- und Schnorchel-Touren. Wie Buldewa, der dort nun erst einmal keine Tauchgänge anbieten kann. Zudem sind Hotels, Restaurants und Cafés auf Besucher angewiesen, die in diese Bucht kommen, um im Meer zu schwimmen, tauchen oder schnorcheln. Und im Ort Mahébourg sind Dowarkasing zufolge mindestens 400 Fischer registriert, die von den Meerestieren in der Bucht abhängig sind. Vom Tauchlehrer bis zum Obsthändler - „alle Menschen werden betroffen sein“.

Die Angst ist groß, dass diese Ölkatastrophe Touristen langfristig abschrecken wird - auch wenn internationale Urlauber wieder einreisen dürfen. „Die Menschen werden nicht mehr in diese Region kommen“, befürchtet Dowarkasing.

Neben Verzweiflung macht sich nun auch Wut breit. Wie bei der Beirut-Explosion fragen sich viele, ob das Desaster hätte vermieden werden können. Und wie bei der Katastrophe im Libanon zeigen manche mit dem Finger auf die Regierung. „Die Regierung hat die Verantwortung, seine Bürger zu beschützen, und die Pflicht, sich um sie zu kümmern“, hieß es in einer Kolumne der Zeitung „Le Mauricien“. „Wir sind wütend, trauern aber.“

© dpa-infocom, dpa:200813-99-151222/5

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