Frankfurt/Main (dpa)

Stadionbesuch in Corona-Zeiten: Anfeuern mit Maske?

Thomas Eßer, dpa
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Von Thomas Eßer, dpa
| 08.07.2020 13:47 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Wenn die Fußball-Bundesliga nach der Sommerpause wieder startet, könnten auch Fans wieder im Stadion dabei sein. In Sachsen gibt es bereits konkrete Überlegungen in diese Richtung. Die Fan-Rückkehr wäre an Bedingungen geknüpft. Dagegen gibt es auch Widerstand.

Die Zeit der Bratpfannen- und Koffer-Trommeln soll bald der Vergangenheit angehören.

Schon zu Beginn der neuen Saison in der Fußball-Bundesliga könnten wieder Fans statt Vereinsmitarbeiter in den Stadien für lautstarke Unterstützung sorgen. Die DFL arbeitet mit dem Gesundheitsministerium an Leitlinien für das Ende der Geisterspiele. In Sachsen gibt es bereits Überlegungen unter bestimmten Bedingungen ab September wieder mehr als 1000 Zuschauer zuzulassen.

Vereinsmitarbeiter, die unter anderem im Relegation-Duell Heidenheim gegen Bremen mit ungewöhnlichen Mitteln Lärm gemacht hatten, könnten sich dann wieder ihrem Kerngeschäft widmen. Die Anhänger hätten wieder die Stimmungshoheit. Manche Vereine haben bereits konkrete Rückkehr-Konzepte für ihre Fans. RB Leipzig hat seine Überlegungen bereits mit dem örtlichen Gesundheitsamt diskutiert. Wie könnte das Stadionerlebnis im Herbst und Winter 2020 aussehen?

Fest steht: Mit dem gewohnten Stadionbesuch würde ein vorsichtiger Neustart mit Zuschauern für viele Fans noch wenig zu tun haben. Mit Freunden in der vollen Stammkneipe treffen, dann mit Bus und Bahn zum Stadion fahren und in der Kurve dicht an dicht die eigene Mannschaft zum Sieg schreien - ein solches Szenario ist noch ganz weit weg. Die Fans müssen sich auf Einschränkungen und besondere Maßnahmen einstellen, die sich im Detail von Verein zu Verein unterscheiden können.

Anders als beim Hygienekonzept für die Spiele ohne Zuschauer zum Ende der abgelaufenen Saison will die Deutsche Fußball Liga den Vereinen keine exakten einheitlichen Vorgaben machen. Die DFL liefert eher eine Basis, auf deren Grundlage die Clubs in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden individuell passende Konzepte erstellen können. Das erscheint sinnvoll, schließlich sind die Bedingungen von Spielort zu Spielort extrem unterschiedlich.

Das beginnt schon mit der Anreise. Während es rund um einige neuere Stadien am Stadtrand ausreichend Parkplätze gibt und schon vor Corona viele Zuschauer mit dem Auto angereist sind, setzen andere Arenen bei ihrem Verkehrskonzept hauptsächlich auf den öffentlichen Nahverkehr. Kommen Fans in vollen Bussen und Bahnen zum Stadion, ist es allerdings deutlich schwieriger, die derzeit geltenden Abstandsregeln einzuhalten und im Fall der Fälle Infektionsketten nachzuvollziehen als bei einer Anreise im eigenen Auto. Der Weg zum Spiel könnte bei der anvisierten Fan-Rückkehr eines der größten Probleme werden.

Für die Anhänger beginnen die Schwierigkeiten aber schon vorher. Da eine Vollauslastung der Stadien zunächst utopisch ist, können zunächst wohl noch nicht einmal alle Dauerkarteninhaber dabei sein. Die Vereine reagieren darauf ganz unterschiedlich. Borussia Dortmund verkauft zunächst gar keine Saisontickets. Bei Borussia Mönchengladbach können Dauerkartenbesitzer der vergangenen Spielzeit ihr Ticket für die kommende Saison wieder buchen, es gilt aber erst ab der Rückrunde. Sollten schon in diesem Jahr wieder Fans ins Stadion dürfen, haben die treuen Anhänger ein Vorkaufsrecht auf Einzeltickets.

In Zeiten, in denen selbst Restaurant- und Cafébesucher ihren Namen und Kontaktdaten angeben müssen, wird es auch im Stadion zudem nicht ohne personalisierte Tickets gehen. In den Fanszenen ist das ein sensibles Thema. Zudem sorgt spezielle Technik zur Erhöhung der Sicherheit, wie sie in Dortmund bereits getestet wurde, für Unmut - auch, wenn noch gar nicht klar ist, welche Rolle sie bei einer Rückkehr der Fans in die Stadien konkret spielt. Wärmebildkameras könnten beim Einlass kontaktlos die Körpertemperatur messen, 3D-Sensoren den Abstand in einem Tribünenblock ermitteln.

Kein Fußball sei es wert, „seine Freiheit an den Stadiontoren abzugeben und sich den einschränkenden Maßnahmen zu unterwerfen“, heißt es in einer kritischen Stellungnahme von Hannover-96-Fans, die eine Teilöffnung der Stadien unter den befürchteten Bedingungen ablehnen. Und Sig Zelt vom Bündnis „ProFans“ sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Bei vielen Ultras herrscht eine große Skepsis und die Meinung: Wenn wieder Leute in die Stadien dürfen, dann alle.“

Auf das Ausleben gewohnten Fanverhaltens müssen zumindest Hardcore-Anhänger erstmal verzichten. Auch wenn Gesangsverbote, wie sie in den Niederlanden geplant sind, in DFL-Kreisen nach dpa-Informationen als unrealistisch eingeschätzt werden, ändert sich zunächst doch einiges: Das tragen eines Mund-Nasen-Schutzes wird wohl Pflicht werden, Stehplätze zuzulassen wird schwierig, und ob auch Gästefans in die Stadien dürfen, ist zumindest fraglich - in Leipzig sind sie nicht vorgesehen.

Zudem könnte es sein, dass manche Bundesligisten schon wieder vor ein paar Zuschauern spielen dürfen, die Behörden in anderen Bundesländern das aber noch für zu gefährlich halten. Laute Fans in München oder Dortmund, Koffer-Trommel-Lärm im leeren Bremer Weser-Stadion: Auch so ein Szenario ist an Spieltagen 2020/21 nicht ausgeschlossen.

© dpa-infocom, dpa:200707-99-709044/5

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