Oxford/Berlin (dpa)

Oxford-Forscherin: Gefahr trotz Corona-App nicht vorbei

| 26.06.2020 14:24 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Wissenschaftler in Oxford haben untersucht, wie viele Menschen eine Corona-Warn-App einsetzen müssen, damit sie einen Effekt hat. Eine Forscherin aus dem Team lobt die App aus Deutschland, warnt aber vor Nachlässigkeiten im Kampf gegen die Pandemie.

Die Menschen in Deutschland sollten trotz des erfolgreichen Starts der Corona-Warn-App bei ihren Vorsichtsmaßnahmen gegen nicht nachlassen - darauf hat die renommierte Immunologin Lucie Abeler-Dörner vom Nuffield Department of Medicine der Universität Oxford hingewiesen.

„Die Ausbrüche in Gütersloh und Göttingen zeigen, dass die Gefahr noch nicht vorbei ist, und dass es wichtig ist, Ausbrüche so schnell wie möglich zu erkennen.“ Abeler-Dörner hatte zusammen mit anderen Forscherinnen und Forschern in einer Studie simuliert, wie eine Kontaktverfolgungs-App gegen die Ausbreitung des Coronavirus helfen kann. Dabei kamen sie zum Schluss, dass eine Tracing-Anwendung dann anfängt zu wirken, sobald mindestens 15 Prozent der Bevölkerung mitmachen. Dann könnten Infektionsketten unterbrochen und Ansteckungen verhindert werden. Ohne jede weitere Schutzmaßnahme wie Atemschutzmasken oder Sicherheitsabstand wären 60 Prozent notwendig, um einen signifikanten Effekt zu zeigen.

Die Zahl der Downloads der deutschen Corona-Warn-App stieg am Freitag auf 13,3 Millionen an, das entspricht 16 Prozent der Bevölkerung.

Vor dem Hintergrund des Streits in Großbritannien um ein geeignetes Konzept einer Tracing-App sagte die Forscherin, unabhängig vom verwendeten System hänge der Erfolg einer App vor allem davon ab, wie viele Leute in einer Region mitmachen. „Die deutsche App hatte einen wirklich guten Start. Ich hoffe, dass mit jedem neuen Nutzer ein weiterer Nutzer dazu inspiriert wird, die App herunterzuladen und seine Freunde und Familie zu schützen.“ Die deutsche App sei auf dem besten Weg, bei der Erkennung der Ausbrüche einen Beitrag zu leisten.

In Großbritannien hatte die Regierung vor gut einer Woche einen Testlauf des nationalen Gesundheitsdienstes NHS gestoppt, eine eigene Tracing-App zu entwickeln. Die NHS-App setzte nicht auf dem technischen Fundament von Apple und Google auf. Das machte sie vor allem auf dem iPhone von Apple quasi unbrauchbar, weil die App dort nicht im Hintergrund laufen darf, um Bluetooth-Signale auszutauschen.

Die NHS-App sendete alle 20 Sekunden Signale aus, während die Corona-Warn-App des Robert Koch-Instituts nur alle zweieinhalb bis fünf Minuten funkt. Bei dem britischen Testlauf konnte deshalb die Dauer eines Kontaktes vergleichsweise genau bestimmt werden. Gleichzeitig belastete die NHS-Anwendung den Akku der Smartphones viel stärker als die deutsche App.

Am Dienstag hatten sich deswegen Premier Boris Johnson und der Labour-Vorsitzende Keir Starmer im britischen Unterhaus einen verbalen Schlagabtausch geliefert: Johnson fragte den Oppositionsführer ob er „ein einziges Land“ nennen könne, dass über eine „zweckmäßige Kontakt-Nachverfolgungs-App“ verfüge. Der Labour-Chef antwortete spontan: „Deutschland!“

Der deutsche Botschafter in London, Andreas Michaelis, teilte am Freitag auf Twitter mit, er habe sich mit dem britischen Gesundheitsminister Matt Hancock getroffen, um über eine mögliche Zusammenarbeit zu sprechen. „Die Experten haben ihre Kontakte intensiviert und wollen gemeinsam vorankommen“, heißt es in seinem Tweet.

© dpa-infocom, dpa:200626-99-576732/2

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