Hannover (dpa)

Michael Schulte weicht auf Autokino-Konzerte aus

Christina Sticht, dpa
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Von Christina Sticht, dpa
| 30.05.2020 09:48 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Vor zwei Jahren stand Michael Schulte für Deutschland beim Eurovision Song Contest auf der Bühne. Im Frühling sollte seine nächste Tour starten. Doch die Pandemie stellt auch für den Musiker alles auf den Kopf - allerdings nicht nur zum Negativen.

Die Corona-Pandemie hat Michael Schulte kalt erwischt: Eigentlich sollte im März die Tour zum neuen Album des Sängers starten, der 2018 für Deutschland einen überraschenden vierten Platz beim Eurovision Song Contest (ESC) holte.

Die Kulturbranche werde in der Krise von der Politik vernachlässigt, kritisiert der 30-Jährige, der mit seiner Frau und seinem anderthalbjährigen Sohn in der Nähe von Buxtehude lebt.

Frage: Wie hat es sich angefühlt, kurz vor dem Start Ihrer Tour von Corona ausgebremst zu werden?

Antwort: Das war eine ganz schwierige Zeit. Wir hatten sehr viel Fleiß und Schweiß und Kraft in die Kreation der Show gesteckt und waren bereit loszufahren. Es war ziemlich tragisch, in den September zu verschieben. Zunächst dachten wir, dass wir immer noch die Sommerfestivals haben. Es ist schwer zu schlucken, dass in diesem Jahr möglicherweise alle normalen Konzerte wegfallen, da ist man dankbar für Alternativen.

Frage: Kann bei einem Autokonzert überhaupt der Funke überspringen?

Antwort: Auf jeden Fall. Vor meinem ersten Autokino-Konzert habe ich mich auch gefragt: Ist das komisch? Wird das Spaß machen? Auf dem Weg habe ich mir Probenmitschnitte für die Tour angehört und hätte heulen können, weil es einfach so traurig ist, dass wir diese ganzen Konzerte jetzt nicht wie geplant spielen können. Aber es war so schön, auf einer Bühne zu stehen, und ich habe sogar ein bisschen Gänsehaut bekommen, weil ich es so genossen habe, endlich wieder auf einer Bühne live zu performen. Die Leute sitzen sehr gemütlich in ihren Autos, haben einen tollen Sound über das UKW-Radio und eine tolle Lichtkulisse. Ich gehe ja auch durch die Reihen und sehe durch die heruntergekurbelten Fenster, wie sie applaudieren oder jubeln.

Frage: Viele Familien erleben die Corona-Zeit als große Belastung. Wie ist das bei Ihnen?

Antwort: Ich kann mir vorstellen, dass es anstrengend ist, Kinder zu beschulen und Babys zu hüten, während man Home-Office macht. Wir haben die intensive Zeit zusammen sehr genossen und sind uns auch nicht auf die Nerven gegangen.

Frage: Haben Sie zu Hause neue Aufgaben entdeckt? Räumen Sie jetzt die Spülmaschine aus?

Antwort: Das mache ich sowieso. Ich bin Mister Spülmaschine. Ich räume sehr gerne die Küche auf. Kochen kann ich auch, aber das macht meine Frau häufiger. Ich habe viel im Garten gemacht: Ich habe eine Mauer gebaut, ich habe ein Gemüsebeet angelegt, ich habe Hecken geschnitten.

Frage: Das hört sich nach einem neuen Hobby an!

Antwort: Ich bin auf jeden Fall ein kleiner Hobbygärtner geworden. Ich habe mich früher immer gefragt, was meine Eltern am Gärtnern finden. Da habe ich ungern geholfen beim Unkraut jäten. Heute verstehe ich meine Eltern sehr gut: Man kriegt den Kopf frei, ist an der frischen Luft und ist stolz, wenn der Garten so langsam wächst. Wir haben uns ein kleines Paradies geschaffen. Aber irgendwann möchte man raus, ein bisschen Action und vor allem Konzerte spielen.

Frage: Die Kulturbranche ist mit am härtesten von der Corona-Krise betroffen. Wie sieht das in Ihrem Umfeld aus?

Antwort: Ganz viele aus der Musikbranche sind angewiesen auf Hilfen - ob jetzt Hartz IV oder Soforthilfen, die teilweise gezahlt werden und teilweise auch nicht. Insgesamt haben fast eine Million Menschen in dieser Branche ihren Job, und ich habe das Gefühl, das wird ein bisschen vergessen. Da kommt nicht genug vom Bund, vom Staat. Man kann es nicht kleinreden nach dem Motto: „Die Musiker, die Kunst, das ist doch nicht so wichtig!“ Die Politiker sollten die Augen öffnen und möglichst schnell handeln, weil es da sonst zappenduster aussieht. Dann sind nächstes Jahr alle pleite, und Künstler haben keine Auftrittsmöglichkeiten mehr.

Zur Person: Michael Schulte (30) landete mit seinem ESC-Song „You Let Me Walk Alone“ 2018 einen Hit, seine aktuelle Single heißt „Keep Me Up“. Der in Schleswig-Holstein aufgewachsene Sänger lebt mit seiner Frau Katharina und Sohn Luis auf dem Land in der Nähe von Buxtehude.

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