Berlin (dpa)

Schauspielerin Irm Hermann gestorben

Julia Kilian und Gerd Roth, dpa
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Von Julia Kilian und Gerd Roth, dpa
| 28.05.2020 11:44 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Mit Filmen von Fassbinder und Loriot schrieb sie Geschichte. Schauspielerin Irm Hermann spielte oft kleinbürgerliche Rollen - und hatte selbst nach eigenen Worten durchaus Spaß an Anarchie.

Sie war eine der großen Darstellerinnen von Rainer Werner Fassbinder, drehte mit Loriot und Werner Herzog: Die Schauspielerin Irm Hermann ist tot. Sie sei am Dienstag im Alter von 77 Jahren gestorben, teilte ihre Agentin Antje Schlag unter Berufung auf die Familie in Berlin mit.

Sie sei schon immer neugierig gewesen und oft über Grenzen gegangen, hatte Hermann vor fünf Jahren dem „Zeit Magazin“ gesagt. „Nicht dass mein Leben langweilig gewesen wäre, aber grenzwertig oder anarchistisch zu leben macht mir schon Spaß.“ Gegen das Kleinbürgerliche hat sie sich gesträubt.

Geboren wurde sie als Irmgard Hermann in München, nach der Schule machte sie eine Lehre als Verlagskauffrau und arbeitete als Sekretärin beim ADAC. Sie habe immer den Wunsch gehabt, aus dem „Kleinbürgerlichen“ rauszukommen, sagte sie dem „Zeit Magazin“.

Mitte der 1960er lernte sie einen Mann kennen, der sie stark beeinflussen sollte: Rainer Werner Fassbinder (1945–1982). Sie habe ihn zum ersten Mal in der Münchner Wohnung einer befreundeten Schauspielerin erlebt. „Er las die ganze Nacht aus einem unveröffentlichten Kitsch-Roman, und die Art, wie er das tat, faszinierte mich sofort. Dabei rauchte er unentwegt“, sagte Hermann mal der „Welt am Sonntag“.

In seinem Kurzfilm „Der Stadtstreicher“ spielte Hermann dann mit. Insgesamt war sie in rund 20 seiner Produktionen zu sehen, etwa in „Angst essen Seele auf“, „Katzelmacher“ und „Händler der vier Jahreszeiten“. „Sein Geheimnis war seine Aufmerksamkeit. Jeder, auf den er seine Aufmerksamkeit lenkte, erkannte sich selbst, war ganz bei sich“, sagte Hermann in dem „Welt“-Interview. Hermann entwickelte sich zu einer engen Vertrauten des Regisseurs. Sie sei nicht nur Geliebte gewesen, sondern auch „Mädchen für alles“.

Mit Fassbinder und der Schauspielerin Hanna Schygulla gründete sie das spätere Antitheater. Mitte der 1970er trennte sich Hermann von Fassbinder und zog nach Berlin. Sie arbeitete auch mit Regisseuren wie Werner Herzog und Percy Adlon oder dem Dramatiker Tankred Dorst.

Mit Christoph Schlingensief drehte sie „Das deutsche Kettensägenmassaker“ und „Die 120 Tage von Bottrop“. Hermann spielte auch viel Theater, etwa an der Berliner Volksbühne und am Berliner Ensemble. Für Schlingensief stand sie im „Hamlet“ ebenso auf der Bühne wie als herrische Kanzlergattin in „Berliner Republik“. Auch mit Regisseur Christoph Marthaler arbeitete sie zusammen.

Ihr komisches Talent konnte sie etwa in Loriots „Pappa ante portas“ zeigen - als Tante Hedwig saß sie im Zug, pellte mit strengem Blick ein Ei und erklärte detailliert Verwandtschaftsverhältnisse („Ich bin deine Tante, weil ich die Schwester deiner Mutter bin...“). Sie spielte auch neben Elyas M'Barek und Jella Haase in „Fack Ju Göhte 3“ mit - als Ploppis Oma. Lange lebte Irm Hermann in Berlin, aber ihre Herkunft hörte man ihr beim Sprechen noch an. Sie war verheiratet mit dem Kinderbuchautor Dietmar Roberg und hat laut Agentur zwei Söhne.

Über ihre ambivalente Beziehung zu Fassbinder sprach Hermann ziemlich offen. Auf die Frage, wie sie es so lange mit Fassbinder ausgehalten habe, der „auch als Tyrann“ gegolten habe, sagte Hermann der „Welt am Sonntag“ damals: „Ich kam aus einem strengen, kleinbürgerlichen Elternhaus. Für mich tat sich mit Fassbinder eine völlig neue Welt auf. Er war der erste Mensch, der mich ernstgenommen hat.“

Den Deutschen Filmpreis bekam Hermann für die Rolle der Mitgefangenen von Sophie Scholl in Percy Adlons „Fünf letzte Tage“ und für „Der Händler der vier Jahreszeiten“. Auch in Rudolf Thomes „Paradiso - Sieben Tage mit sieben Frauen“ spielte sie mit - das Ensemble gewann im Jahr 2000 auf der Berlinale einen Silbernen Bären für eine besondere künstlerische Leistung. Zuletzt war sie etwa in der Satireserie „Labaule & Erben“ zu sehen.

Agentin Antje Schlag schrieb in einer Mitteilung: „Wir verneigen uns vor dieser großen Künstlerin, die auf herausragende und bleibende Weise den deutschsprachigen Film, das Theater und unvergessliche Fernsehproduktionen geprägt hat.“ Sie werde durch ihre Begabung, ihren Humor und ihre kreative Eleganz in Erinnerung bleiben. „Irm Herrmann war modern und klassisch, autonom und eine wahrhaft selbstbestimmte Frau.“

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