Meinung

Touristenfrei, hatten wir das nicht schon?

Joachim Braun
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Von Joachim Braun
| 28.03.2020 10:12 Uhr | 15 Kommentare | Lesedauer: ca. 2 Minuten
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Die behördlichen Maßnahmen in der Corona-Krise schränken unsere Grundrechte stark ein. Umso wichtiger ist es zu hinterfragen, ob alle Anordnungen auch sinnvoll und angemessen sind.

Der Begriff, den Ralf Klöker diese Woche gebrauchte, provoziert geradezu Assoziationen. Der Sprecher der Kreisverwaltung Wittmund sagte wörtlich, der Landkreis sei nun „touristenfrei“. Das war sicher gedankenlos, denn zeitgeschichtlich sensible Menschen wissen: Schon 1897 hatte das Seebad Borkum damit geworben, „judenfrei“ zu sein. Weit hergeholt? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Denn nicht alle Grundrechte-Einschränkungen in der Corona-Krise lassen das rechte Maß erkennen.

Dass Touristen nach Hause müssen, wenn Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen geschlossen werden, versteht sich von selbst. Dass dies auf den Inseln aufgrund der begrenzten medizinischen Kapazitäten eine höhere Priorität hat als auf dem Festland – geschenkt. Dass aber auch Eigentümer von Zweitwohnungen, die bereits vor Ausbruch der Krise vor Ort waren, per Landkreis-Verordnung aus ihren Domizilen regelrecht vertrieben werden, ist des Guten deutlich zu viel (auch wenn das Verwaltungsgericht Oldenburg dies Freitag legitimierte). Sind Zugereiste Ostfriesen zweiter Klasse? Geht es nicht zuvorderst darum, dass wir alle uns an die Kontaktverbote halten? Die bloße Anwesenheit des Zweitwohnungsbesitzers übt ganz sicher keinen Einfluss auf die Verbreitung von Corona aus – auch wenn dies die feindseligen Reaktionen mancher Einheimischer auf fremde Autokennzeichen glauben machen könnten.

„Touristenfrei“ – manch einer in den Landkreisen Aurich und Wittmund vergisst offenbar, dass der Tourismus eine der Lebensadern der Region ist. Und seine Kunden behandelt man so nicht. Oder offenbart sich jetzt die wahre Gesinnung mancher von Fremden genervten Ostfriesen? Egal, wie es ist, wir sollten nicht vergessen: Es wird auch ein Leben nach Corona geben. Und dann werden uns die Touristen bestimmt wieder herzlich willkommen sein.

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